10 Landesrecht vor fremdem Recht
FDP Bundesrat Burkhalter
will fremde Richter
Bei Streitfällen mit der EU soll der Europäische Gerichtshof den Schiedsrichter spielen. Die Mehrheit im Bundesrat
gibt die Selbstbestimmung der Schweiz preis. Die direkte Demokratie wird gezielt ausgehebelt.
Peter Keller, Nationalrat aus Nidwalden, ist ein Experte in der Aussenpolitik
und des Völkerrechts. Regelmässig äussert er sich zu diesem Thema, wie auch
hier an einer öffentlichen Konferenz in Stans (NW).
E
r ist so etwas wie der Geschäftsführer der Schweizer
Aussenpolitik: Staatssekretär Yves Rossier. Die Nummer eins
im Departement von Bundesrat Didier Burkhalter (FDP). In dieser
Funktion sollte Rossier die Interessen der Schweiz im Ausland vertreten – und das heisst in diesem
Fall vor allem die Interessen der
Schweiz gegenüber der Europäischen Union.
Nun gab dieser Staatssekretär am
19. Mai 2013 der NZZ am Sonntag
ein Interview und sagte, er finde
es „logisch“, dass „nur das oberste EU-Gericht über die Auslegung
von EU-Recht urteilen kann“. Wenn
also die Schweiz und die EU sich in
gemeinsamen Rechtsfragen nicht
Katz- und Maus-Spiel des Bundesrates
Man kann davon ausgehen, dass
ein Staatssekretär nur ausführt, was
sein Vorgesetzter ihm aufgetragen
hat. Ich wollte deshalb in der letzten
Sommersession von Bundesrat Didier Burkhalter wissen, ob Rossier
ein Verhandlungsmandat des Bundesrates erhalten habe und ob auch
Burkhalter es „logisch“ finde, dass
ein EU-Gerichtshof über der Schweizer Rechtsauslegung stehe.
Interessant und typisch war die Antwort des Aussenministers: Er wollte
nichts von „Verhandlungen“ wissen.
Es sei bloss ein „technischer Dialog“
mit der EU im Gange und es bestehe
kein Verhandlungsmandat. Auch auf
die Nachfrage, was er denn von den
Äusserungen seines Staatssekretärs
halte, weicht Burkhalter aus. Das
war am 10. Juni 2013.
einig sind, dann ist es für Burkhal- Das Katz- und Maus-Spiel geht in
ters Chefbeamten „logisch“, dass die nächste Runde: Am 16. August
ein Gremium mit EU-Richtern über erklärt Burkhalter gegenüber den
Richtig und Falsch entscheidet. Medien: „Wir wollen nicht fremde
Und die Schweiz
darf den Entscheid
„So weit sind wir: der Chefunterhändler (!)
dann noch abnider Schweiz findet nichts dabei, dass fremcken.
des Recht über Schweizer Recht stehen soll.
Für ihn ist es ,logisch‘...“
So weit sind wir:
der Chefunterhänd- Nationalrat Peter Keller, Hergiswil (NW)
ler (!) der Schweiz
findet nichts dabei, dass fremdes Richter als letzte Instanz.“ Auch hier
Recht über Schweizer Recht stehen erweist sich der Aussenminister vor
soll. Für ihn ist es „logisch“, dass allem als Wortakrobat, denn nur ein
fremde Richterentscheidungen über paar Tage später, am 21. August, wird
der Schweizer Rechtsprechung ste- klar, was Burkhalter damit meint:
hen sollen. Mit diesem Ergebnis Wenn es zum Streit im Rahmen der
kam jedenfalls Staatssekretär Rossi- bilateralen Verträge kommt, soll die
er nach Gesprächen mit seinem EU- Schweiz den Europäischen GerichtsKollegen nach Hause.
hof um „Auslegung anfragen.“