2 Editorial
Kniefall vor Europa
Am 19. April 2012 ging folgendes Schreiben von Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf an die kantonalen Regierungen:
„Am 5. Mai feiern wir wie jedes Jahr den Europatag. Mit diesem
Tag gedenken wir der Verabschiedung der Satzung des Europarats
1949 in London. Der Europarat ist die Älteste und bis heute die
grösste internationale Organisation Europas; sie umfasst abgesehen von zwei Ausnahmen alle europäischen Staaten. Heute zählt
der Europarat 47 Mitgliederstaaten.
Die Schweiz ist seit 1963 Mitglied des Europarats und setzt sich
sehr aktiv für die Förderung der Menschenrechte, der demokratischen Werte, der Rechtsstaatlichkeit und der Stabilität in Europa
ein.
Wir bitten die Kantons- und Gemeindebehörden deshalb, auch dieses Jahr zum Europatag beizutragen, indem sie auf öffentlichen Gebäuden die Europafahne hissen. Wir danken Ihnen schon jetzt für
Ihre Unterstützung.“
Soweit haben wir es also in der Schweiz gebracht. Man hisst auf
Geheiss der Bundespräsidentin im ganzen Land die Europafahnen
und vergisst den Einsatz für unser Land. Unterwerfung gegenüber
dem Ausland hat Hochkonjunktur, der Kampf für unsere Eidgenossenschaft und die schweizerischen Errungenschaften geht vergessen. Wie wäre es in zwei Monaten mit folgendem Brief an die
Kantonsregierungen, Frau Bundespräsidentin?
„Am 1. August feiern wir wie jedes Jahr unseren Nationalfeiertag. Mit diesem Tag gedenken wir der Gründung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1291 auf dem Rütli. Die Schweiz
ist die älteste direkte Demokratie der Welt. Sie ist föderalistisch
aufgebaut und respektiert die Steuerhoheit der Kantone. Heute
zählt die Eidgenossenschaft 26 Kantone.
Die Schweiz trägt mit ihrer Neutralität und Unabhängigkeit
wesentlich zu den demokratischen Werten, zur Rechtsstaatlichkeit und damit zur Stabilität in Europa bei.
Wir bitten die Kantons- und Gemeindebehörden deshalb, auch
dieses Jahr zum Nationalfeiertag beizutragen, indem sie auf
öffentlichen Gebäuden die Schweizerfahne hissen. Wir danken
Ihnen schon jetzt für Ihre Unterstützung.“
Machen wir uns nichts vor. Die offizielle Politik im Bundeshaus
schreitet in eine ganz bedenkliche Richtung: Annäherung bzw. Anschluss der Schweiz an die EU, Einschränkung der Volksrechte,
Aufgabe der Privatsphäre und des Bankkundengeheimnisses und
damit des Schweizer Finanzplatzes.
Ganz frappant untermauert diese bedenkliche Entwicklung der
Bundesrat in der jüngst bekannt gegebenen künftigen Ausrichtung
der Europapolitik.
Der Bundesrat liess zu seinen europapolitischen Beschlüssen verlauten: „Die Grundsätze beziehen sich unter anderem auf die Einheitlichkeit (Homogenität) der Anwendung und Auslegung von
Bestimmungen, die in bilateralen Abkommen festgelegt wurden,
ausserdem auf die Rechtsentwicklung, die Überwachung der Anwendung bilateraler Abkommen sowie die Streitbeilegung.“
Das sind schöne Worte, aber man versteht kaum, was damit eigentlich gemeint sein soll. Da liegt die Vermutung nahe, dass hier etwas
gesagt wird und etwas anderes gemeint ist. Die angestrebte „Homogenität“ bedeutet das Ende der Selbstbestimmung in der Europapolitik und auch das Ende des bilateralen Weges. Der bilaterale Weg
wird wie beim Schengen-Vertrag durch eine Unterordnung unter die
Rechtshoheit der EU ersetzt. Ja, auch bei Schengen wird uns in der
Schweiz zugestanden, dass wir die Anpassungen ins schweizerische
Recht „eigenständig“ übernehmen. Allerdings ist das eine rein theoretische Möglichkeit. Denn wenn die Schweiz die Übernahme eines
Rechtsaktes verweigert, müssen wir mit sog. Ausgleichsmassnahmen, also Sanktionen, sprich Bestrafungen seitens der EU rechnen.
Der Bundesrat spricht in seiner Europapolitik im Weiteren beschönigend von „decision shaping“. Was bedeutet dies? Nichts anderes,
als dass die Schweiz Zaungast ist. Mit „Experten“ kann die Schweiz
zwar in vorbereitenden Ausschüssen dabei sein, hat jedoch kein
Stimmrecht. Dem kann man sicherlich nicht Mitbestimmung, geschweige denn souveränes Handeln sagen.
Natürlich kennen wir die Fortsetzung dieses angestrebten Weges
unserer Landesregierung. Man wird uns vorjammern, dass wir halt
nur bei einem Vollbeitritt zur Europäischen Union vollumfänglich
mitbestimmen könnten.
Sie sehen, die SVP wird in den nächsten Jahren ganz besonders gefordert, Wohlstand und Freiheit der Schweiz zu verteidigen. Dazu
ist Widerstand notwendig.
Toni Brunner
Präsident SVP Schweiz