Klartext Juni 2012 | Page 2

2 Editorial Europapolitische Weichenstellungen E s ist der helle Wahnsinn. Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) fordert erneut und unverblümt den EU-Beitritt als einzige Alternative zum bilateralen Weg. Der Bundesrat hat kurz nach der Sommersession beschlossen, Verhandlungen mit der Europäischen Union (EU) über institutionelle Fragen aufzunehmen. Er beabsichtigt mit diesen Verhandlungen eine weitgehende Unterordnung der schweizerischen Rechtsordnung unter jene der EU und wählt dabei einen ganz besonderen Ansatz. Verpackt (versteckt) im sogenannten „Strom-Dossier“ möchte der Bundesrat eine Lösung für alle künftigen institutionellen Fragen mit der Europäischen Union vorgeben. Ein eigentliches Musterabkommen mit umfassender Tragweite und dem Charakter eines Kolonialvertrages wird so hinter einem technischen, sektoriellen Abkommen versteckt und würde uns für alle Zeit an die EU binden. Dies würde für die Schweiz einen gravierenden Souveränitätsverlust bedeuten. Die Folgen wären eine zwingende Übernahme von EU-Recht, eine Unterwerfung unter die Rechtssprechung der EU, die Schaffung einer neuen Überwachungsbehörde sowie zusätzliche Sanktionsmöglichkeiten. Es ist unverständlich, dass der Bundesrat mit einer EU, welche sich in einer tiefgreifenden Krise befindet, Verhandlungen über eine weitere Anbindung der Schweiz führen will. Die Fraktion der SVP im Bundeshaus hat daher in der Sommersession eine Motion für ein dreijähriges Verhandlungsmoratorium für institutionelle Fragen mit der EU eingereicht. Wieso sind in den nächsten drei Jahren keine Verhandlungen mit der EU über institutionelle Fragen zu führen? Die EU befindet sich in einer immer gravierenderen Verschuldungs- und Bankenkrise, welche deren Handlungsfähigkeit einschränkt und auf die Zukunft und Organisation der Gemeinschaft weitreichende und heute noch nicht absehbare Konsequenzen haben dürfte. So ist die künftige Ausgestaltung des Euro-Raumes völlig offen. Ebenso haben die EU-Staaten Gespräche über eine koordiniertere Fiskal- und Haushaltspolitik in Aussicht gestellt. Der institutionelle Rahmen der EU könnte sich damit in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Mit dieser Ausgangslage und der damit verbundenen Unsicherheit über die künftigen Entwicklungen innerhalb der EU, liegen Verhandlungen über eine nähere Anbindung der Schweiz keinesfalls im Interesse unseres Landes. Es gibt auch überhaupt keinen zeitlichen und sachlichen Druck für entsprechende Abkommen. Jetzt blind vorwärtszumachen und mit der EU zu verhandeln, wäre für die Schweiz unverantwortlich. Derweil geht die massive Zuwande