Interaktiv - Das Kundenmagazin des Fraunhofer IPA 1.2020 | Page 13

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bunden mit schwierig zu greifenden Objekten oder sonstigen kundenspezifischen Herausforderungen«, erklärt Kraus. »In Summe haben wir acht typische Endanwenderprobleme identifiziert, die den Einsatz des Griff-in-die-Kiste limitieren. Hierfür entwickeln wir Lösungsansätze und greifen zum Teil auf neue Technologien wie das Maschinelle Lernen zurück.« Die Praxis zeigt beispielsweise, dass der Entleerungsgrad und die Taktzeiten aktuell sehr stark von der Expertise des Einrichters abhängen. Die IPA-Forscher arbeiten daher an Algorithmen zur Selbstkonfiguration des Griff-in-die-Kiste-Systems, die automatisch die Parameter auf dem Niveau eines Experten einstellen. Das betrifft unter anderem die Hand-Kamera-Kalibrierung, die Parametrierung der Algorithmen oder die Greifpunktgenerierung.

Der Greifer als Schlüsselkomponente
Das Greiferdesign ist die Grundlage für eine vollständige Kistenentleerung. Denn einerseits bedingt es die Anzahl der möglichen Greifpunkte am Werkstück und somit die Flexibilität der Anwendung, andererseits trägt es mit seiner Kontur als Ganzes zum erfolgreichen Ablauf bei, beispielsweise durch seine Anfälligkeit für Kollisionen. In der Praxis wird dieses wichtige Element oft nach »Bauchgefühl« ausgewählt und die Leistung erst während der Inbetriebnahme des Robotersystems ersichtlich. »Um hier zu einer begründeten Auswahl zu gelangen, setzen wir eine Simulationsumgebung zur Verifikation des Greiferdesigns ein«, hebt Kraus hervor. Darin werden 3D-Punkte-wolken von virtuell gefüllten Kisten erzeugt und anhand derer Aspekte wie Zugänglichkeit des Greifers zum Werkstück ohne Kollision statistisch evaluiert. Ohne Hardware-Investitionen und Tests an der realen Produktion, die dafür stillstehen müsste, können somit vielfältige Greiferdesigns durchgespielt und deren Leistungsfähigkeit nachgewiesen werden. Liebherr entwickelt das Simulationstool im Austausch mit dem IPA entsprechend den Industriebedarfen weiter, sodass es einfacher
und produktiver verwendet werden kann.

Neues Niveau durch Maschinelles Lernen
Ein weiterer Grund, warum die Taktzeiten bei fast leeren Kisten steigen bzw. der Roboter die Kisten nicht vollständig leeren kann, ist die Herausforderung für die Objekt erken nung, die Teile am Kistenboden korrekt zu erkennen. Kraus beschreibt die Schwierigkeiten zum Beispiel bei Blechteilen: »Die Teile sind glänzend, dünn und schlecht zu erkennen, weil sie in der 3D-Punktewolke mit dem Kistenboden verschmelzen.« Um die Kiste dennoch leer zu bekommen, nutzen die Forscher ein tiefes neuronales Netz zur Segmentierung. Anschaulich gesprochen, schneidet das neuronale Netz die Bereiche der Punktewolke mit Werkstücken aus, segmentiert diese also, und übergibt die Segmente an die weitere Bildverarbeitung. Durch die Vorverarbeitung werden auch die letzten Teile in der Kiste zügig und zuverlässig erkannt.