Interaktiv - Das Kundenmagazin des Fraunhofer IPA 1.2019 | Page 38
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Im Gespräch
interaktiv 1|2019
»Zu einem geringen Preis das
Kundenbedürfnis treffen«
Interview mit Uwe Schleinkofer, Leiter des Zentrums für
Frugale Produkte und Produktionssysteme, S-TEC
Bei frugalen Lösungen geht es letztlich darum, dass man mit
innovativen Ansätzen zu neuen Lösungen kommt, die das
Kundenbedürfnis gut treffen, und das zu einem sehr geringen
Preis.
Ikea ist also ein Paradebeispiel für frugale Lösungen?
Schleinkofer: Das ist ein Ansatz, doch es gibt noch andere.
Wichtig ist, dass der Kunde im Mittelpunkt steht: Market-Pull
statt Technologie-Push.
Sie arbeiten schon länger an dem Thema. Hat sich bei den
Unternehmen die Einstellung dazu verändert?
Schleinkofer: Wir sehen immer mehr Unternehmen, die sich
darüber Gedanken machen, ob dieser Ansatz für sie geeignet
ist. Für kleinere Mittelständler ist es natürlich schwierig, einen
neuen Markt zu bedienen. Genau dafür ist das Netz werk
»Innovationsforum frugale Anlagen, Maschinen und Geräte«
entstanden. Wir unterstützen Unternehmen, sei es, dass wir
Kooperationspartner vor Ort kennen oder dass wir Netzwerke
initiieren. Deshalb sind wir branchen übergreifend unterwegs.
So könnte sich zum Beispiel ein Drehmaschinenhersteller
mit einem Fräsmaschinenhersteller zusammentun. Die tun
Herr Schleinkofer, was bedeutet frugal? Was ist eine frugale sich gegenseitig nicht weh und können gemeinsam einen
Produktion, was sind frugale Produkte? Und was verstehen Markt für frugale Produkte erschließen.
Sie unter frugalen Lösungen?
Gibt es Märkte, die besonders geeignet sind für frugale
Schleinkofer: Frugal bedeutet eine spezielle Fokussierung und
Lösungen?
ein Mindset hinsichtlich einfacher, robuster und kostenbe-
wusster Lösungen von Kundenproblemen. Schleinkofer: Das mittlere Marktsegment in Asien und im
Beide, ein sehr hochautomatisiertes und ein frugales Produk - sten Jahren. Da entsteht ein Riesenpotenzial, das man nicht
Pazifikraum wächst extrem, es verdreifacht sich in den näch-
tions system, können Ansätze für die Produktion frugaler Pro - vernachlässigen darf. Aber wir kennen auch mittelständische
dukte bzw. Konsumgüter sein. Hochautomatisierte Produk - Unternehmen, die frugale Maschinen für Baden-Württemberg
tions sys teme geben Unternehmen die Möglichkeit, frugale entwickelt haben und jetzt Anfragen aus ganz Deut sch land
Produkte für einen preissensiblen Markt in einem Hochlohn - und sogar aus EU-Ländern bekommen.
land herzustellen. In der Regel wird in den Schwellenländern
lokal ein frugales Produktionssystem eingesetzt, um frugale
Kannibalisieren sich solche Unternehmen nicht selbst, wenn
Produkte bzw. Konsumgüter herzustellen. Ein Beispiel ist die sie für den deutschen Markt auch einfachere und kostengün-
Brillen-Biegemaschine des Vereins »EinDollarBrille«. Dies bein- stigere Geräte herstellen?
haltet einen sehr einfachen Mechanismus und keine Automa -
tisie rung. In vielen Schwellenländern sind hochautomatisierte
Schleinkofer: Nein. Denn wenn sie den Markt nicht bedienen,
Lösungen nicht notwendig, da die Arbeitskosten niedrig und macht es ein Konkurrent. Außerdem kann man frugale Pro -
die Arbeits losenquote höher ist als in den Industrieländern. Es dukte als Einstiegschance nutzen, um Kunden an sich zu bin-
zeichnet sich aber auch ab, dass in den Industrieländern auch den, vor allem im Investitionsgüterbereich. Wer sich einmal
der Be darf nach einfachen, robusten und kostengünstigen eine Maschine beschafft hat, und dann auf die nächsthöhere
Lösungen besteht. upgraden will, bleibt der Marke bestenfalls treu.