Interaktiv - Das Kundenmagazin des Fraunhofer IPA 1.2019 | Page 28
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Roboter mit Knochen, Muskeln und Sehnen
Nicht nur für den Handlingsassistenten ist Nachgiebigkeit ein
entscheidendes Kriterium. Während klassische Industrie roboter
auch aufgrund ihrer steifen Strukturen strenge Anforderungen
an den sicheren Betrieb stellen, können nachgiebige Systeme
im direkten Kontakt mit dem Menschen agieren, weil sie in -
trinsisch sicher sind. Das Forschungsprojekt Myorobotics, das
2015 endete, zeigt, wie ein solches Robotersystem aussehen
kann. Im Projekt entwickelten IPA-Forscher zusammen mit
Partnern Roboter-Hardwaremodule, die sie als Open-Source-
Baukasten der Öffentlichkeit und insbesondere der Forscher-
Community bereitgestellt haben. Robotik-Forscher und -Ent -
wickler können mit den bio-inspirierten Komponenten schnell,
einfach und kostengünstig eigene und leicht adaptierbare
Robotersysteme umsetzen und dabei von dem Wissen einer
Entwickler-Community profitieren. Viele Komponenten lassen
sich im 3D-Druckverfahren selbst herstellen.
Mit dem Baukasten lassen sich Robotersysteme aufbauen, deren
Komponenten biologischen Gliedern wie Armen und Beinen
in Bauweise und Funktion nachempfunden sind. Die Kom po -
nenten bestehen sowohl aus steifen als auch aus nach giebigen
Elementen. Sie haben karbonverstärkte »Knochen«, auf denen
»Zugmuskeln« platziert werden, deren Kräfte über ein ausge-
vom Anwender eingesteuert, soll die KI dann diese Bewegungen
klügeltes System von »Sehnen« auf »Gelenke« übertragen durch Verstärkungslernen selbst lernen. Die Technologien des
werden. Durch Sensoren und eine lokale Signalver arbei tung »Roboy« sind auch im umfangreichen »Human Brain Project«
können die Systeme Reize wahrnehmen und reflexähnlich auf der Europäischen Union im Einsatz. Das Projekt läuft seit 2013,
ihre Umwelt reagieren. ist auf zehn Jahre ausgelegt und involviert mehr als 100 For -
schungseinrichtungen und Krankenhäuser, um Neuro wissen -
Wie bei ihrem menschlichen Vorbild können die Roboter Kraft
schaften, Medizin und Informatik voranzubringen.
speichern und Stöße abfedern. So sind sie für den Umgang
mit unvorhergesehenen Einflüssen aus dem Umfeld, beispiels-
Körpergetragene Robotik
weise, wenn sie von Hand bedient werden, ausgelegt und er -
möglichen eine angenehmere und sicherere direkte Inter aktion.
Auch Exoskelette, also mechanische bzw. mechatronische
Zukünftig kann diese Technologie dort, wo Menschen und Systeme, die Anwender direkt am Körper tragen, orientieren
Maschinen gemeinsam agieren, genutzt werden, zum Beispiel sich am menschlichen Bewegungsapparat. Es gibt sie unter
in der Haushalts- oder Rehabilitationsrobotik.
anderem selten als rein mechanische Lösung, häufiger hinge-
gen als mechatronische Lösungen ohne oder mit positivem
Aktuell finden sich die Myorobotics-Komponenten unter an - Energieeintrag, also mit Kraftunterstützung zum Beispiel
derem in dem humanoiden Roboter »Roboy«, einer Forsch ungs - durch Servomotoren, sowie mit Biosignalschnittstellen. Diese
plattform der Technischen Universität München (s. S. 26). Die nehmen die Reize menschlicher Muskeln auf, verarbeiten sie
Plattform verfolgt das Ziel, die humanoide Robotik weiterzu- und können sie in Bewegungen des Exoskeletts umwandeln.
entwickeln. Hierfür sollen auch Technologien der Künstlichen Exoskelette gibt es für die unteren und oberen Extremitäten
Intelligenz (KI) genutzt werden. So ist beispielsweise das Be - oder auch als Systeme für den ganzen Körper.
wegen eines Gelenks wie der Schulter ein komplexer Vorgang,
für den mehrere Muskeln gesteuert werden müssen, um das Aktuell ist das größte Einsatzgebiet von Exoskeletten die
Kugel gelenk in die gewünschte Position zu bringen. Einmal Reha bilitation. Dort ermöglichen sie zum Beispiel die frühe