Interaktiv - Das Kundenmagazin des Fraunhofer IPA 1.2018 | Page 38

20 Interview interaktiv 1 | 2018

» Wir wollen und brauchen kompliziert «

Für Professor michael bargende , FKFs-Vorstand und zu - ständig für den bereich Fahrzeugantriebe , sollten deutsche unternehmen alles daran setzen , ihre innovations - stärke aus eigener Kraft zu behalten . Das ist eine große herausforderung , aber zwingend notwendig . interaktiv traf den » Powertrain-experten «, der sich mit viel Power besonders einer Leidenschaft widmet : der zukunft des automobils .
Herr Professor Bargende , welches Auto fahren Sie privat ?
Eigentlich gar keines , weil ich meist einen Wagen der Firma nutze . Ich kann Ihnen jedoch sagen , welches Auto meine Frau fährt : ein 18 Jahre altes Golf-Cabrio mit einem 1,6 Liter 90 PS TDI-Motor . Ein echter Klassiker . Und der Verbrauch ist sensationell niedrig – auch nach heutigen Maßstäben
Führen Sie daheim beim Abendessen auch mal Powertrain- Debatten ?
Ja , das kommt gelegentlich vor . Meistens morgens oder am Wochenende . Da schlage ich die Zeitung auf und muss feststellen , dass die Inhalte bestimmter Artikel sachlich und fachlich falsch bis tendenziös sind . Das regt mich dann manchmal auf .
Was genau ist daran tendenziös ?
Was mich grundsätzlich stört , habe ich mal wie folgt in einem Gastkommentar auf den Punkt gebracht : Es wurde für die Auto - mobilindustrie ein Strukturwandel beschlossen , ohne dass die dafür notwendigen Erfindungen gemacht und die passende Infrastruktur bereits geschaffen wurde . In den Medien wird jedoch anders polarisiert . Da heißt es dann , dass Deutschland den Wettbewerb gegen China verliert , weil wir die Elektro - mobilität verschlafen .
Tun wir das denn nicht ?
Nein . Ich gebe Ihnen ein Rechenbeispiel . Im Jahr 2016 wurden in Deutschland zirka 60 000 batterie-elektrisch betriebene und hybride Fahrzeuge im Pkw-Bereich zugelassen . Im selben Zeitraum waren es in China etwa 500 000 Fahrzeuge . Wenn man das in Relation setzt , ergibt sich folgendes Bild : Bei insgesamt 3,3 Millionen neu zugelassenen Pkw in Deutschland und fast 25 Millionen in China beträgt der Anteil der batterieelektrisch betriebenen und hybriden Fahrzeuge in Deutschland 1,8 Prozent , in China 2,0 Prozent . Bei diesem Unterschied kann man ja wohl nicht von verschlafen sprechen .
Dann ist das wohl alles nur Stimmungsmache .
Die Diskussion läuft schon ziemlich lange und immer wieder werden einzelne Punkte isoliert herausgegriffen . Ein Beispiel : Toyota hat den Prius gebaut und ist damit vor allem in Japan und den USA erfolgreich . Zusehens sieht man ihn auch in Deutschland , unter anderem als Taxi in Berlin . Da fragt man sich natürlich , warum ein solches Auto nicht von einem deutschen OEM kommt . Die Antwort ist relativ einfach : Unter rationalen Aspekten war der Diesel im Vergleich zum Hybrid immer die bessere , weil kostengünstigere Lösung . Diese Sicht - weise ändert sich und die deutschen Automobilbauer ziehen kräftig nach und werden auch noch aufholen .