Interaktiv - Das Kundenmagazin des Fraunhofer IPA 1.2016 | Page 50

50 Im Gespräch interaktiv 1|2016 interaktiv 1|2016 »Eine ganz neue Form der Automatisierung« Im Gespräch sind Robotersysteme dort selten im Einsatz, weil sie nicht schnell genug an die wechselnden Anforderungen anpassbar sind. In den großen EU-Projekten »SMErobot« und dem Folgeprojekt »SMErobotics« haben wir bereits zahlreiche Technologien entwickelt, die sich an diese Bedürfnisse von KMU richten. Automobilhersteller haben zunehmend Interesse an den Technologien gez eigt, weil auch sie schneller und wirtschaftlicher auf Thomas Dietz, Gruppenleiter sowie Leiter des BMBF- Es ist schwer vorhersehbar, welche sich in den nächsten Jahren neue Herausforderungen und Veränderungen des Marktes Verbundprojekts »Forschungsfabrik« bei ARENA2036, durchsetzen werden. Bisher werden Anlagen so konstruiert, reagieren müssen. Wandlungsfähige Systeme sind somit bran- und Manuel Fechter, wissenschaftlicher Mitarbeiter, ent- dass sie ein Modell mehrere Jahre lang produzieren und eine chenübergreifend für alle Unternehmen interessant, die ver- wickeln wandlungsfähige Robotersysteme. Im Interview anfangs festgelegte Flexibilität in den Varianten vorhalten. mehrt auf Automatisierung setzen möchten. reden sie über die Herausforderungen, den Mehrwert der Ändert sich aber im Laufe dieser Zeit der Markt oder auch die neuen Technologien für Unternehmen und darüber, was Gesetzeslage, muss die Anlage kostspielig umgerüstet oder die Zusammenarbeit im Projekt auszeichnet. neu aufgebaut werden. »Technologietransfer ist ein Kernelement der Wandlungsfähigkeit« Manuel Fechter Aktuell entsteht das neue ARENAGebäude auf dem Campus der Universität Stuttgart. Welche neuen Herr Dietz, was ist Fechter: Wir sprechen hier von einer wandlungsfähigen Pro- Möglichkeiten bietet es den betei- für Sie das Besondere duktion am »optimalen Betriebspunkt«. Kommt beispielsweise ligten Forschungseinrichtungen an der Arbeit für ein neues Automodell auf den Markt, ist die Nachfrage meist und Variante sowie vorhandener Mitarbeiterkapazität dynamisch ARENA2036? höher als das Angebot. Ist es bereits lange auf dem Markt, zugewiesen werden. und Industriepartnern? Dietz: Das Gebäude wird natürlich die neue Heimat aller be- sinkt die Nachfrage und die Produktion ist nicht mehr ausgeDietz: Das Besondere an lastet. Wir möchten mit unseren Produktionslösungen die da- ARENA2036 ist, dass sie durch entstehenden finanziellen Nachteile durch Überschuss Systeme. Inwieweit wird dies die Entwicklung und den Einsatz Forschungsfabrik aufbauen, die aus acht Stationen bestehen sehr lokal arrangiert ist oder Mangel minimieren. von Robotersystemen künftig verändern? wird. Dort werden wir ein Bodenmodul planen, entwickeln, Region eng zusammen- Roboter sind ein Schlüsselelement wandlungsfähiger Produk- Dietz: Ein Ansatz bei Industrie 4.0 ist, die starren Hardware- ist funktionsintegriert, das heißt, dass mechanische und elek- arbeiten. Sie kommen tionsanlagen. Welche technischen Anforderungen müssen sie Verbindungen zu reduzieren und sie durch Software zu ersetzen. trische Funktionen bereits im Material enthalten sein werden. aus unterschiedlichen gegenüber bisherigen Systemen erfüllen? So möchten wir die lineare Verkettung von Produktionsschritten Zudem möchten wir den Fokus erweitern in Richtung Rohbau aufbrechen. Für Robotersysteme bedeutet das, dass Software und Logistik, die als zusätzliche Leitthemen in die ARENA2036 vielfältige Hintergründe Dietz: Roboter sind per definitionem flexibel und für viele Auf- eine immer wichtigere Rolle einnimmt, zum Beispiel durch stan- einfließen werden. Im Gebäude werden wir zusammenhän- und Erfahrungen in das gaben einsetzbar. Einmal in die Produktionsanlage integriert, dardisierte Schnittstellen. Auch der große Anteil proprietärer gende Abschnitte der Fertigung, wie sie zukünftig aussehen Projekt mit ein. Das ist wird diese Flexibilität momentan aber sehr eingeschränkt. Zum Software muss in Industrie-4.0-Architekturen eingebunden wer- könnte, präsentieren. Besonders wichtig ist uns, dass wir die Roboter agieren in der »Smart Factory« als cyberphysische und viele Partner aus der montieren und ins Fahrzeug einbauen. Dieses Bodenmodul Branchen und bringen sehr fruchtbar. »ARENA2036 ist eine unglaubliche Ideenschmiede« Thomas Dietz Beispiel weil der Roboter einen speziellen Greifer hat, mit dem den. In unserer Abteilung arbeiten wir deshalb an der genann- einzelnen Anlagen nicht isoliert betrachten, sondern aus ihrem er ein spezielles Bauteil handhaben kann. Um dies aufzubrechen, ten Plug-and-Produce-Technologie. Ein anderes Beispiel ist das Zusammenspiel neue Erkenntnisse gewinnen. Nur so ist eine realistische Bewertung unserer Ergebnisse möglich. gibt es mehrere Ansätze. Auf Basis der Informationstechnik ist skillbasierte Programmieren, mit dem Roboter schneller ein- es die Plug-and-Produce-Technologie: Stattet man den Roboter setzbar sind: Hierbei werden bestimmte Funktionen von Robo- mit einem anderen Greifer aus, könnte der Roboter ihn sofort tern wie beispielsweise eine Bewegungsvorgabe oder das Öffnen Zu den Gründungsmitgliedern in ARENA2036 sind bereits nutzen und wüsste, was damit zu tun ist. Ein anderer Ansatz des Greifers als Blöcke zusammengefasst und in einer Daten- einige neue Projektpartner hinzugestoßen. Welche Chancen bieten sich Unternehmen durch die Mitarbeit im Projekt? ist, den Menschen stärker in den Wertschöpfungsprozess ein- bank bereitgestellt. Die Datenbank kann zentral in einer Cloud- Die Entwicklung und Erprobung wandlungsfähiger Produktions- zubinden und aus der Zusammenarbeit von Mensch und Architektur bereitstehen, auf die alle Roboter zugreifen können. systeme sind unter anderem Ziele der »Forschungsfabrik«. Roboter neue Synergien zu gewinnen. Können Sie an einem Beispiel erläutern, warum dies immer wichtiger wird? reits laufenden Projekte in ARENA2036. Wir werden dort die Dietz: Die Mitarbeit im Projekt ist deshalb faszinierend, weil Die »Forschungsfabrik« konzentriert sich auf die Automobil- man gemeinsam mit Lieferanten, Kunden und Forschungs- Fechter: Deshalb setzen wir für unsere Entwicklung vermehrt produktion. Für welche Branchen oder weiteren Anwendungs- instituten an zukünftigen Produktionsmitteln arbeiten kann. sensitive Leichtbauroboter ein. Sie ermöglichen eine neue Form kontexte sind die Projektinhalte auch interessant? Dies hebt die Zusammenarbeit auf ein neues Niveau. EntstanForschungsfabrik ein umfang reiches Netzwerk und eine ein- Dietz: Wandlungsfähige Produktionssysteme werden deshalb der Automatisierung in enger Kooperation mit dem Menschen. wichtiger, weil die Märkte immer volatiler werden. Dies zeigt Diese Mensch-Roboter-Kollaboration stellt ein zentrales Ele- Dietz: Das Spannende ist, dass viele Ideen, die wir in ARENA- sich in verkürzten Produktzyklen oder darin, dass die Kunden ment der Wandlungsfähigkeit dar. Leichtbauroboter sind hier- 2036 beispielhaft für die Automobilbranche umsetzen, durch zigartige Infrastruktur, von denen alle Partner des Forschungs- personalisierte Produkte wünschen. Für die Automobilbranche für besonders gut geeignet, speziell für die automobile End- unsere Zusammenarbeit mit kleinen und mittelständischen campus profitieren. Dadurch, dass die Teams bereits aufeinan- den ist eine unglaubliche Ideenschmiede. Zudem bietet die ist die Umweltdebatte ein gutes Beispiel: Viele neue Antriebs- montage, in der noch sehr viele Aufgaben manuell ausgeführt Unternehmen (KMU) entstanden sind. Sie produzieren oft nur der eingespielt sind und seit über zwei Jahren zusammenar- formen oder neue Materialien sind aktuell in der Diskussion. werden. Arbeitsinhalte können je nach geforderter Stückzahl in geringen Mengen bis hin zur Einzelstückfertigung. Bisher beiten, ist die Projektarbeit effektiv und effizient. n 51