Goldilocks Ausgabe 05 | Page 10

Gastbeitrag


Trendbüro


Die Sparkassen und die Open Banking Revolution



Nichtstun oder Zukunfstfähigkeit



Ein Gastbeitrag von Ulrich Köhler, Geschäftsführer Trendbüro.


Derzeit ist der Begriff des Open Banking in aller Munde, hat er doch angeblich revolutionäres Potential für die gesamte Bankenindustrie. Bereits im September muss eine entsprechende EU-Direktive umgesetzt sein. Da ist es an der Zeit zu zeigen, dass API-Strategien kein reines IT-Thema sind, sondern für alle Sparkassen ein enormes wirtschaftliches Potential besitzen.

Aus der Zusammenarbeit zwischen dem Trendbüro und dem Sparkassen Innovation Hub wissen wir, wie wichtig dem S-Hub eine offene Innovationskultur ist. Denn ging man bis vor wenigen Jahren noch davon aus, dass Unternehmen aus eigener Kraft mit dem technologischen Fortschritt standhalten können, scheinen Google, Amazon & Co. dem Rest der Geschäftswelt mit ihrem Innovationstempo mittlerweile enteilt. Die gute Nachricht: Gerade Innovation Hubs bringen bereits das Rüstzeug zu gesteigerter Innovationskraft mit.

"90% des für ein Unternehmen relevanten Wissens liegen außerhalb des eigenen Betriebs"

, sagt beispielsweise Oliver Gassmann, Professor für Technologiemanagement an der Uni St. Gallen. Die Kollaboration mit externen Unternehmen und Startups kann eine Spielwiese sein, auf der das Wissen und die Technologie einer Vielzahl externer Partner bereitsteht und sich tragfähige Geschäftsmodelle praktisch risikofrei testen lassen. Und mit Open Banking gibt es einen regulatorisch-technologischen Treiber, der genau diese Potenziale heben kann.

Erfolgreich wirtschaften mit APIs


Um Open Banking zu verstehen, reicht ein alltagsnahes Beispiel: Zugreisende von München nach Italien reisen in ein Land mit mildem Klima, schönen Städten und gutem Essen. Sie sind komfortabel unterwegs, weil die Bahnsysteme in Deutschland, Österreich und Italien (sowie die etlicher weiterer Dienstleister) mittlerweile sehr gut ineinandergreifen. Grundlage hierfür sind standardisierte Schnittstellen – sogenannte APIs (engl. „application programming interfaces“). Sie regeln nicht nur den Ticketverkauf und die Abrechnung zwischen den Bahnunternehmen sowie die Abstimmung des nationalen Schienenverkehrs, sondern haben den Bahngesellschaften gleich ganze Länder und deren Bahnreisende als neue Märkte erschlossen. Ersetzt man nun die Deutsche Bahn durch die Sparkassen und die anderen Bahngesellschaften oder Dienstleister durch beliebige Akteure innerhalb und außerhalb der Finanzwirtschaft, hat man eine (zugegebenermaßen ferienlastige) Erklärung für Open Banking.

Erfolgreich wirtschaften mittels API können übrigens auch andere: Schätzungen des Harvard Business Reviews zufolge erzielt das Online-Reisebüro Expedia 90% seiner Umsätze über APIs. Bei Salesforce sind es immer noch gut die Hälfte, und reine Online-Player wie Facebook, Spotify und Uber haben ihr gesamtes Produkt darauf ausgerichtet, auch ohne den Aufruf der jeweiligen Webseiten in das Leben (sprich: andere Anwendungen) der Menschen integriert zu sein. Und im produzierenden Mittelstand automatisieren und optimieren Schnittstellen die Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Bankkunden nutzen Angebote Dritter


APIs im Bankwesen können – die Einwilligung des Kunden vorausgesetzt – Einblick in Kontobewegungen geben, Zahlungsauslösungen tätigen, Kredite vermitteln, Konten eröffnen, schließen und etliches mehr. Die deutsche Fidor-Bank hat sich genau das bereits jetzt zunutze gemacht und vertreibt eine Vielzahl von Bankprodukten und -dienstleistungen als Whitelabel-Lösungen an andere Banken und vor allem Unternehmen, die gerne Banken wären. Während es in Deutschland gerade mal eine Handvoll Fintechs gibt, die eine BaFin-Lizenz als Kontoauslösedienst besitzen, haben nach Angaben der EU-Kommission europaweit schon über 200 Unternehmen eine solche Erlaubnis. So verwundert es nicht, dass immer mehr Bankkunden neben dem Angebot ihrer Hausbank auch Angebote dieser neuen Dienstleister nutzen.

Spätestens mit der EU-Direktive PSD2, die bis September den kontrollierten Zugriff auf die Zahlungskonten für Drittanbieter zwingend vorschreibt, ist vielen Banken klar geworden, dass sie eine klare Strategie zu offenen APIs benötigen. Laut der Beratungsgesellschaft Ovum gaben Ende 2018 bereits 82 Prozent aller Banken an, eine solche Strategie zu besitzen. Doch wie sehen diese Strategien aus? Und welche Rolle können die Sparkassen einnehmen?

Sparkassen zukunftssicher machen


Die scheinbar gute Nachricht vorweg: Gerade Nichtstun ist eine der gängigsten Strategien! Sofern die Sparkassen die PSD2-Minimalanforderungen erfüllen, könnten sie weiter so tun, als sei nichts geschehen – vergleichbar etwa mit Kodak, die auch nach der hauseigenen Erfindung der Digitalkamera im Jahr 1975 noch viele Jahre erfolgreich analogen Film verkauften.

Im Markt ebenfalls sichtbar ist derzeit eine zweite Variante: Etliche Banken versuchen das abwandernde Geschäft (in Richtung der Fintechs und immer stärker auch der IT-Giganten aus den USA und China) mit etablierten Methoden zu kompensieren: Mit einem Fokus auf die wichtigsten Privat- und Geschäftskunden, technologischer Verbesserungen der bestehenden Interfaces, noch konsequenterem Cross-Selling, Personalisierung und letztlich auch über angepasste (sprich: höhere) Gebühren.

Zukunftssicher machen sich die Sparkassen dagegen, wenn sie schon jetzt aktiv die neuen Möglichkeiten der API-Ökonomie nutzen: APIs haben das Potenzial, neue Vertriebskanäle und Märkte zu erschließen (ein „Expedia der Bankenindustrie“). Mittels APIs können Banken Dienstleistungen und Produkte Dritter in ihr Angebot aufnehmen. Sie können Dritte mit regulatorischem Know-how unterstützen und gemeinsam Dienste entwickeln. Aus der Arbeit des Trendbüros wird jedoch eines klar: Nur wer über die Mindestanforderungen der PSD2 hinausgeht, wird einen echten strategischen Vorteil haben. Und hier zeigt sich ein wichtiger Aspekt des Open Banking: Offene Schnittstellen gelten nicht nur für alte und neue Finanzdienstleister. Alle Unternehmen, die mit Nutzerdaten umgehen, können von Bankdaten profitieren. Hier sind Zahlungsbewegungen und -auslösungen nur ein kleiner Teil: Identifikationsprozesse, Bonitätsprüfungen, die Möglichkeiten sind kaum begrenzt.

Wie diese Lösungen der Zukunft genau aussehen? Das wird ein offener Innovationsprozess zeigen.

Über Trendbüro


Trendbüro ist ein strategischer Think Tank. Sie beschäftigen sich mit gesellschaftlichen Trends, Konsumenten und Marken. Und übersetzen ihre Erkenntnisse für Unternehmen in innovative, kreative und effektive Marketingstrategien.