Goldilocks Ausgabe 07 | Page 20

PropTech Radar



Analyse & Viermal Proptech-Gold



Der Sparkassen Innovation Hub ist erste Andockstelle für FinTechs innerhalb
der Sparkassen-Finanzgruppe und und baut sein Netzwerk zu Startups kontinuierlich aus.



Für diese GOLDILOCKS Ausgabe haben wir in Kooperation mit EY (Ernst & Young) den deutschen PropTech-Markt analysiert und uns auf die Suche nach vier hervorstechenden PropTechs gemacht.

ANALYSE


DIE CHANCE, DIE IMMOBILIENWIRTSCHAFT ZU MODERNISIEREN


Die deutsche Immobilienwirtschaft konnte auch im Jahr 2019 die anhaltend positive Entwicklung der vergangenen Jahre fortsetzen. Auf Grundlage der immer noch stabilen Wirtschaftslage und des günstigen Zinsumfeldes wurde weiterhin das Kapital in- und ausländischer Investoren angezogen.

Das Immobilien-Transaktionsvolumen ist auf einem Rekordniveau. Trotz einiger Diskussionen – wie zum Beispiel rund um die Mietpreisdeckelungen – ist die Stimmung auf dem Immobilienmarkt weiterhin als sehr optimistisch einzuschätzen. So zeigt es auch das Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt 2020 von EY Real Estate an. Chancen eröffnen sich für Marktteilnehmer jedoch nicht einzig auf Grundlage der hohen Attraktivität des heimischen Immobilienmarktes, sondern auch durch Veränderungen gesellschaftlicher Strukturen und Erwartungen sowie durch das Aufkommen innovativer Technologien und Arbeitsweisen im Rahmen der Digitalisierung.

In der Praxis liegt einer der wesentlichen Hinderungsgründe für Innovationen in oftmals geringen betriebswirt-schaftlichen Anreizen etablierter Marktteilnehmer den Status Quo der Branche zu verändern. Zu stark profitieren diese Akteure von gegen-wärtigen Marktfriktionen und ineffizienten Prozessen. Dadurch entstehen erhebliche Zeit- und Kostenmehraufwendungen für institutionelle und private Kunden.

PropTechs wollen Branche revolutionieren

Sogenannte PropTechs – also Startups, die technologiebasierte und digitale Geschäftsmodelle entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Immobilien-wirtschaft entwickeln – drängen dennoch mit der Zielsetzung in den Markt, die Branche zu revolutionieren. Finanziell wird diese Entwicklung durchaus gefördert: Im Jahr 2019 konnten PropTechs laut EY Start-Up Barometer hierzulande insgesamt 167 Millionen Euro an Finanzierungsmitteln einsammeln.

Während also Gründer innovative Geschäftsmodelle entlang des gesamten Immobilienzyklus entwickeln, erwecken auch einige PropTechs, die aufgrund ihrer speziellen Rolle an der Schnittstelle von Immobilien- und Finanzwirtschaft arbeiten, hohe Aufmerksamkeit.

Hierzu lassen sich drei prägnante Entwicklungen aufzeigen:
1. Die steigende Attraktivität von Immobilien als Anlageklasse fordert neue Lösungsansätze.

Im Zusammenhang des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes und der steigenden Nachfrage von Wohn- und Arbeitsraum in Ballungsgebieten sind Immobilien-anlagen zwar weiter hoch interessant. Doch vor allem für private Anleger besteht durch hohe Eigenkapital-erfordernisse, Transaktionskosten und großen Zeitaufwand ein beschränkter Zugang zum Immobilienmarkt.

2. Der aufkommende Generationenwechsel und der damit verbundene Wertewandel bestärken das Verlangen nach einer individualisierten und flexiblen Lebensplanung sowie das Bedürfnis nach alternativen Lebensräumen und variablen Arbeits- und Wohnkonzepten.

Zusätzlich wird die größere Mobilitäts-bereitschaft der Gesellschaft die Eigentümer- und Mieterfluktuation beeinflussen. Alexander Ubach-Utermöhl, Geschäftsführer des blackprint Boosters, sagt dazu: „Für Interessenten, die bei der Suche einer neuen Immobilie lokal weniger gut vernetzt sind, ist das fragmentierte und intrasparente Maklerangebot eine Herausforderung“. Chancen ergeben sich daher in der Digitalisierung und Vereinheitlichung der klassischen Vermakelung, die für institutionelle und private Interessenten durch lokale Marktfragmentierung und hohe Intransparenz belastet ist. Interessenten wünschen sich, Information jederzeit aufrufen und Miet- sowie Kauftrans-aktionen mit geringem Aufwand und digital anstoßen zu können.

3. Insbesondere rund um den Finanzierungsprozess herrscht großer Optimierungsbedarf.

Sowohl für institutionelle Interessenten, zum Beispiel Projektentwickler, als auch für private Käufer ergibt sich bei der Finanzierung von Immobilien und Bauprojekten aktuell eine starke Abhängigkeit von etablierten Finanz-dienstleistern. Traditionelle Finanz-ierungen sind häufig durch langsame, wenig vereinheitlichte und offline-getriebene Prozesse gekennzeichnet, die teilweise mehrere Wochen oder Monate in Anspruch nehmen. Großes Digital-isierungspotential ergibt sich vor allem bezüglich des Finanzierungprüfungs-prozesses in Form der Anbindung von APIs im Sinne von Open Banking. Interessenten machen bessere Erfahr-ungen auf Grundlage automatisierter Prozesse, geringerer Kosten und schnellerer Finanzierungsent-scheidungen. Finanzierer schärfen Risikoprofile durch automatisierte und erweiterte KYC-Prozesse und erhalten tiefe Einblicke in die finanziellen Gewohnheiten von Finanzierungs-partnern.

AUSSICHT UND EMPFEHLUNG



Die digitale Transformation der Finanzwirtschaft an der Schnittstelle zur Immobilienwirtschaft wird aufgrund der hohen Interkonnektivität der Branchen auch in den kommenden Jahren von außergewöhnlicher Bedeutung sein. Insbesondere bezüglich des Makler-, Einlagen- und Kreditgeschäfts, welche zum Kern des Geschäftsmodelles etablierter Finanzdienstleister – insbesondere auch der Sparkassen – zählen, werden technologische und soziokulturelle Neuerungen zu Veränderungen des Bankengeschäftes führen. Etablierte Marktteilnehmer sollten diese Entwicklungen fortlaufend beobachten, um nachhaltig erfolgreich am Markt zu agieren.

Autor:
Dr. Francesco Pisani
EMEIA Financial Services / Transaction Advisory Services