G20 Foundation Research Green Growth Forum Communique | Page 64

Eine Europäische Union für Erneuerbare Energien Nora Löhle Heinrich-Böll-Stiftung W ir befi nden uns heute an einem entscheidenden Zeitpunkt, um den Wechsel zu 100 Prozent erneuerbarer Energien in Europa zu beschleunigen. Etwa zwei Drit- tel aller Kraftwerke müssen in den kommenden Jahren ersetzt werden. Zugleich müssen große Teile des europäischen Übertragungs- und Verteilernetzes modernisiert oder umgebaut werden und benötigen Reinvestitionen. Der Wechsel zu einem europä- ischen Energiesystem, das 100 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien pro- duziert, ist bis 2050 möglich, vorausgesetzt die notwendigen Investitionen und Anpas- sungen werden vollzogen. Die zunehmende Abhängigkeit vom Import fossiler Brennstoff e schwächt die Wirt- schaft Europas dauerhaft, verzerrt die Handelsbilanzen und hat negative Auswirkungen auf die öff entlichen Haushalte in Zeiten der Krise. Die EU-Mitgliedstaaten müssen mehr und mehr für importierte fossile Brennstoff e und andere nicht erneuerbare Rohstoff e ausgeben. Dies hat erheblich zum derzeitigen Haushaltsdefi zit einiger Mitgliedstaaten beigetragen, mit negativen Auswirkungen auf die Stabilität der Eurozone. In den kom- menden Jahrzehnten werden die Preise für fossile Energien aufgrund eines massiven Anstiegs des globalen Energieverbrauchs und dem Ende des Zeitalters von billigem Öl steigen. Dies tangiert energieimportierende Länder sowohl wirtschaftlich als auch politisch: die Suche nach alternativen Bezugsquellen und Versorgern führte das Euro- päische Parlament kürzlich auf den Irrweg, auf »neue konventionelle Brennstoff e« wie Ölsand und Schiefergas, unter anderem aus Kanada, den USA, Brasilien und der arkti- schen Region zu setzen. Die Schiefergas-Revolution führt an vielen Orten der Welt zu geringen Gaskosten, verursacht jedoch hohe ökologische Kosten, und ändert nichts an der Tatsache, dass Erdgas eine endliche Ressource darstellt. Atomenergie ist eine der teuersten Energiequellen, bei der die Allgemeinheit den größten Teil der Rechnung für die Milliarden bezahlt, welche für Atommülltransport und -lager ausgegeben werden. Zu- dem ist keine Versicherung bereit, Atomkraftwerke zu versichern. Die Gesellschaft trägt also nicht nur das Risiko eines Unfalls, sondern potenziell auch alle damit verbundenen fi nanziellen Kosten. Die einzige konventionelle Energiequelle, die immer noch zu einem relativ niedrigen Preis vorhanden ist, ist Kohle. Jedoch hat diese einen vergleichsweise geringen Energiewert und ist unter den konventionellen Brennstoff en derjenige mit den schädlichsten Klimaauswirkungen. Die Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten aus Russland und dem Nahen Osten hat auch Auswirkungen auf die Energiesicherheit – vor allem für die mittel- und osteuropä- ischen Mitgliedstaaten ist dies von zentraler Bedeutung. Diese Abhängigkeiten beein- trächtigen die Union, als unabhängiger außenpolitischer Akteur zu agieren. Zurzeit importieren die 27 EU-Mitgliedstaaten mehr als die Hälfte ihrer Energie. Dieser Anteil wird ohne den Ausbau der Erneuerbaren künftig weiter ansteigen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien kann, bei geeigneter Umsetzung, alle europäischen Energieziele befördern: steigende Versorgungssicherheit zu niedrigeren Preisen, Stärkung der Wett- 62