G20 Foundation Research Green Growth Forum Communique | Page 62
Ein weiterer Vorteil der dezentralen Struktur ist die Aktivierung privaten Kapitals für den
Ausbau der Energieinfrastruktur. Schon heute sind in Deutschland mehr als 1,3 Mio pri-
vate Solaranlagen in Betrieb. Sowohl bei der Finanzierung als auch der Verteilung von
Gewinnen ist ein dezentraler Ansatz sozial eff ektiver. Beschäftigungseff ekte wirken so
vor allem in den Regionen, bei kleinen Elektrikern und Handwerkern. In Zeiten, in denen
weder Staaten noch Energieversorger in großem Umfang Kapital für die nächste Gene-
ration von Kraftwerken aufb ringen können, wird privates fi nanzielles Engagement wich-
tiger denn je. Dies kann je nach Land viele verschiedene Formen annehmen. Auch der
ärmeren Bevölkerung in einigen G20 Ländern, in denen nicht alle Bürger derzeit Zugang
zu Energie haben, eröff nen sich durch die Kostenentwicklung und Innovationen, die in
den Industrieländern entstanden sind, ein verbesserter Zugang zu Strom und damit zu
Licht, Bildung, Nahrungssicherheit und mehr.
Um eine solche fundamentale Umstrukturierung der Energieversorgung umzusetzen
und damit von privatem Kapital getragenes »Green Growth« zu initiieren, muss sich auch
die Rolle des Staates ändern. Mit dem Setzen ambitionierter und verbindlicher Ziele für
Energieeffi zienz und erneuerbare Erzeugung sowie der Schaff ung von Rahmenbedin-
gungen, die kleinteilige private Investitionen in die eigene Energieversorgung befördern,
steht dem Staat eine wesentliche Rolle zu. Die Unterschiede zwischen den G20 Ländern
sind derzeit enorm. Insbesondere die Schaff ung höherer Transpar enz über Energieer-
zeugung und Verbrauch auf regionaler Ebene, der Umbau der Entgelt- und Steuerrege-
lungen zugunsten kurzer Transportwege für Strom und eine radikale Vereinfachung in
Regulierung und Prozessen mithilfe moderner IT würden den geeigneten Rahmen schaf-
fen. Sinnvoll wären zum Beispiel vereinfachte Möglichkeiten, lokale Energiegenossen-
schaften zu bilden, mit wenig Bürokratie dezentral erzeugten Strom an Unternehmen
im Ort zu verkaufen und damit privates Engagement zu belohnen. Dabei könnte eine
Unterstützung in der Vermarktung von sauberem Strom auch regional gesteuert werden.
Dezentrale Marktstrukturen sorgen dafür, dass die wirtschaftlichen Eff ekte auch bei
der breiten Bevölkerung ankommen. Zudem zeigen verschiedene Studien, dass der be-
wusste Umgang mit einer Ressource oft schon zu fühlbaren Einspareff ekten führt. Wer
den selbst produzierten Strom problemlos lokal vermarkten kann, wird tendenziell auch
den eigenen Verbrauch reduzieren, um seine Verkaufserlöse nicht zu schmälern. Mehr
Verantwortung für die Erzeugung eines Gutes hat meist sparsameren Umgang damit zur
Folge.
Die Nachteile einer dezentralen Struktur liegen neben einigen technologischen Her-
ausforderungen, die Experten allerdings als lösbar einschätzen, vor allem im Kontrollver-
lust der bisher dominanten Marktspieler wie den in einigen G20 Ländern noch staats-
nahen Energie-Unternehmen. Der Wandel vieler Kunden zu kleinen Wettbewerbern hat
für die Energieerzeuger in Deutschland bereits begonnen. Schon heute wechseln pro
Jahr fast 10 % der Stromkunden in Deutschland den Versorger. Dies sorgt schon heute
für starken Veränderungsdruck vor allem in den Ländern, die die Energiewende bereits
aktiv gestalten.
Das Thema Energieversorgung wird aufgrund der verschiedenen Entwicklungspfade
und natürlichen Ressourcen sehr unterschiedlich betrachtet unter den G20 Ländern.
Gleichzeitig sind die Herausforderungen und Lösungsansätze für zukünftige Energiefra-
gen in den Ländern strukturell ähnlich. Die Chancen der Dezentralisierung gehen dabei
über das Thema Energieversorgung weit hinaus und wirken in Experten-Netzwerken,
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