Festschrift Jubiläum 25 Jahre | Page 29

29 Kolleginnen, schauen immer wieder auf die Handys. Doch alles bleibt ruhig – keine Probleme. Auch die Woche vergeht wie im Flug. Auf dem Programm standen Wandern, Grillen, Zugfahrten nach Heilbronn und Stuttgart, Stadtführungen und Museumsbesuche. Über die Experimenta in Heilbronn waren sich alle einig: »C’était le meilleur musée qu’on a jamais fait!« »Das war das beste Museum, das wir jemals besucht haben!« Dass die Schüler auf den Ausflügen ihre Mittagspause in (deutsch-französischen) Gruppen unter sich verbringen dürfen, löst bei unseren französischen Kolleginnen anfangs eine leichte Unruhe aus. Da sie aber erleben konnten, dass immer alle Schüler wieder pünktlich am vereinbarten Treffpunkt erschienen, wurden sie mit der Zeit etwas gelassener. Sie bedauerten es sogar am Ende, dass sie mit ihren Schülern solche Dinge, ebenso wie das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel, gar nicht üben können, denn sie sahen schon, welche Fähigkeiten dadurch geschult wurden. Aber die Vorschriften und die Sicherheitsbestimmungen an französischen Schulen lassen so etwas leider nicht zu – sie müssen jeden möglichen Zwischenfall versuchen auszuschließen. Wer hätte es also gedacht: La liberté, c’est l’Allemagne! Am Ende der Woche wussten die Franzosen: Die Deutschen wohnen meist in sehr schönen, großen Häusern. Die Straßenzüge sehen sehr gepflegt aus. Sie sind ruhig und ordentlich, aber auch großzügig und die Jugendlichen haben viele Freiheiten. Der Abschied fällt schwer, aber einige von ihnen würden sich ja am nächsten Tag schon wieder sehen! Ein besorgter Schüler über seinen Corres (Austauschpartner): »Ich hab ihn immer gefragt, ob er etwas essen will, aber er hat das ganze Wochenende kaum was gegessen. Ich frage mich, wie man mit so wenig Essen überleben kann.« Warum lohnt es sich, auch wenn man gar kein Französisch lernt, am Austausch teilzunehmen? Diese Frage stelle ich den Schülern immer mal wieder zwischendurch. Die Antworten: Weil man sich selbst in einer fremden Umgebung ganz anders kennen lernt. Weil man seine Gewohnheiten loslassen muss und sich an andere anpassen muss. Weil man erlebt, wie sich das anfühlt, sich anpassen zu müssen. Weil es lustig ist. Weil man tolle neue Leute kennen lernt. Weil man auf Fremde ganz anders zugeht und auch die ganz anders auf einen zugehen und man aus seiner alten Rolle, die man in der Klasse oder der Familie hat, vorübergehend aussteigen kann. Weil man sich im Ausland/in der Fremde ganz anders fühlt. Weil man lernt, wie andere ticken. Weil einem klarer wird, wie man selber tickt. Weil danach das Wort Toleranz für einen eine ganz andere Bedeutung hat. Weil man mal merkt, wie anstrengend das ist, den ganzen Tag eine fremde Sprache um sich zu haben und nichts (oder nicht viel) zu verstehen. Weil man sich in nonverbaler Kommunikation übt. Und noch vieles mehr! Sein Corres zu seinen Kameraden: »Er fragt mich immerzu, ob ich Hunger habe, aber ich esse doch nicht alle halbe Stunde!«