ECOenVIE Nr.16 14.03.2016 | Page 12

NOSTALGIE SPITZE FRÜHER Als Paris die Mode auf die Spitze trieb Wandschirme, Decken, Sonnenschirme, Halskrausen, Manschetten, Volants, Rockbesätze, Jäckchen, Taschentücher - alles in kunstvoll hand-gearbeiteter Spitzen-Ornamentik, mit Spitze bedeckt oder mit Spitzenbändchen geschmückt. Am Pariser Hof entbrannte im 16. /17. Jahrhundert eine Leidenschaft für Spitze, die sich fast zu einer Manie steigerte. Die Herstellung und der Handel mit Spitzen aus Brüssel, Venedig und Genua blühten. Frankreich hatte noch keine eigene Spitzenherstellung. Der Adel und das Bürgertum gab so viel Geld für teure feinste Brüsseler und Venezianische Spitzen aus, dass Ludwig IV das Tragen von Spitzen im Jahr 1660 verbot und mit einer Geldstrafe belegte. Doch das Verbot bewirkte das Gegenteil. Das Geld floss weiter ins Ausland. Deshalb kam Colbert auf die Idee in Frankreich, bei Alençon, die ersten Spitzenmanufakturen zu bauen. 12 ECOenVIE Nr. 16 Das Ziel war, noch kunstvollere Spitzen, als die der Italiener und Flamen herzustellen. Das gelang, und seit Beginn des 18. Jahrhunderts gelten die Französischen Spitzen aus Alençon und Lyon als die filigransten und teuersten aller Spitzen. Für die Herstellung von Nadelspitzen und Klöppelspitze brauchte man Musterschablonen aus Pappe. Der künstlerische Beruf des Musterzeichners war damals hoch angesehen. Über 50 Künstlerbücher aus der damaligen Zeit liegen heute in der französischen Nationalbibliothek. Damals hatten die Ornamente für die Spitzen Anspruch auf Einzigartigkeit. Das änderte sich mit der Erfindung der ersten Maschine zur industriellen Herstellung von Tüll im 19. Jahrhundert (1808 John Heathcoat, England) und der ersten Stickmaschine (1828 Josua Heilmann, Elsass). Text: Gabriele Perryman