Das Wirtz Luftschiff Das Wirtz Luftschiff | Page 47
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über der spanischen West-Sahara. Ungläubige reiben sich die Augen. Wir sind noch
immer in Afrika? Wir wollen doch nach Amerika? Der Führer, im weißen Tropenanzug,
lehnt aus dem Fenster des Eßsalons.´Frühstücken Sie getrost, meine Herren!´ sagt er und
läßt das Glas von den Augen(…) Eine kleine Raddrehung: Der Zeppelin verläßt die
Südrichtung und wendet sich steuerbord gegen Westen. Der Nebel reißt. Da blaut schon
das Meer: Afrika, Afrika, leb wohl!
Äquator. – Wasser und Tropensonne. – Nachts strichen wir durch den Regengürtel der
warmen Kalmen. Der Morgen ist frisch. – Wie hoch fliegen wir? Der Augenschein täuscht.
Wir glauben uns vierzig, fünfzig Meter über dem ruhigen, stahlblauen Meer. Aber eine
geworfene Flasche, die lange fällt und nicht aufhört zu fallen, belehrt uns: Wir müssen viel
höher sein. Tatsächlich sind es sechshundert Meter.(…)
Brasilien.
Da. Eine Kante im Mittag! Langes Gestade. Der Horizont, blaugrau zunächst, erfüllt sich
mit Grün. Welch eine tiefe Sammetfarbe verkündigt da den Erdteil! Flögen wir tiefer, wir
merkten den Duft… Schon kommen die ersten Vögel entgegen. Es ist wie in der
Kolumbus-Sage: Grün, Grün, ein Schild aus unendlichem Grün, vor dem eine weiße Borte
entlangläuft (zehntausend Kilometer Brandung!), rückt neben den blauen Buckel des
Meeres. Grün vertreibt Blau. Eine Palmenherde, geneigt wie trinkende Giraffen, fegt unter
uns hin… Amerika! Land! Land nach fünfundsechzig Stunden! - ´Nur noch zwei Stunden
bis Pernambuco!´antwortet´s aus der Führerkabine.
Mächtiges Land unter unserem Schiff. Einer ebenen Tafel vergleichbar; und achtzehnmal
so groß wie Deutschland. Aber nur halb soviel Einwohner. Land einer Zukunft, Brasilien!
… Wir brausen über die grüne Wildnis, die braune, kräftige Arme hat: strömende
Wassertäler im Wald. Geschwungene Flußbänder, üppig geschweift, verlieren sich in den
Westen hinein. Im Osten, wo sie zusammenströmen, sind sie die Mündung des Pavahyba.
Ein Ozean aus Palmen umsteht sie und ist von undeutbaren Laubkuppeln. Die Vögel, die
sich daraus erheben, taumeln wie große Brasil-Schmetterlinge. Überall Wasser zwischen
dem Grün: Auf den fast schwarzen Waldströmen und ihren teichartigen Fortsetzungen,
die wie Lagunen neben dem Meer stehen, schleppen sich träge die Holzlasten hin.
Der Wald nimmt ab. Dickichte, Sümpfe, Rohrpflanzungen, Hütten. Schon städtische
Villen? Eine prächtige Wallfahrtskirche schwebt auf einem Hügel vorbei. Unendliche
Gemüsegärten. ´Hafen Pernambuco in Sicht!´ Kaum ist der Satz ins Bewusstsein
gedrungen, da erobern wir die Stadt schon. Brausend, mit sämtlichen Motoren, fallen wir
von der Landseite ein …Da bricht auf Erden der Irrsinn aus.
Ein Kranz von Sirenen alarmiert die Hafenbehörden, die Schiffe, die Kais. Die Tiere in den
Vorstädten, entsetzt über den hinschießenden Drachen, der droben nach Beute zu
spähen scheint und ihnen die liebe Sonne verdunkelt, beginnen verzweifelt nach Rettung
zu suchen. Hahn und Hühner packt es zuerst, dann flüchten Ziegen, Schafe und Rinder;
die Panik reißt die Hunde mit; alles stürmt ziellos übers Feld… Wir gehen tiefer, der
Aufruhr wächst. Eine Brise von hellen Kinderstimmen schlägt uns entgegen – und, ach,
dieser Duft! Das muß Geruch von Zuckerrohr sein… und Hauch von märchenhaften
Savannen. Geliebte Erde! – Auf einer Weide hat der Schatten des Zeppelins eine Koppel
Pferde zersprengt. Sie bäumen, jagen, einige stürzen; Hirten, wie aus Indianerbüchern,
preschen hinter ihnen her. Zwei Kühe mit aufgeworfenem Schweif rasen durch einen
Gemüsegarten und brechen in ein Villentor ein. Automobile machen Halt. Quer über den
Landstraßen stehen Menschen. Es hupt, es tutet, es winkt. Die Kinder, jetzt deutlich:
´Conde sep – pel – liiiin!´