Das Wirtz Luftschiff Das Wirtz Luftschiff | Page 45

45 von 49 Mittelmeer zu. Wir dürfen schlafen. Eckener wacht. Vorne, im Gehirn des Schiffes, steht er, neben dem Höhenruder. Die fünf Maschinentelegraphen zeigen ihr ruhiges Ringsystem. Der Geist regiert, die Materie bleibt treu. Ein Ruck am Seitensteuer, wie spielend, und die Paternoster-Ketten setzen sich zitternd in Bewegung. Der Führer blickt an den stillen Schultern der bedienenden Steuerleute vorüber. Er sieht in die nächtliche Ferne hinaus. Im halben Dunkel des Navigationsraums, das manchmal von Lämpchen durchstochen wird, kann man Eckeners Züge erkennen. (…) Am Morgen das Mittelmeer: Himmel aus Atlas, aber in höchster Höhe bestrichen von dünnen Eis- und Cirruswolken. In der kalten Frühsonne gleißt das Meer; und manchmal wirkt es wie schwarzer Stahl. Noch immer jagt der französische Wind dem Zeppelin nach und schiebt ihn nach Süden. Gleich einer Forelle(….) rennt der Schatten des riesigen Fahrzeugs neben uns durchs Wasser dahin (…). Tief drunten, wie ein getragenes Papier, tanzen Möwen um rotgelbe Klippen. Eine Relieffkarte, überwirklich, schwimmt auf uns zu, grau, bläulich, weinrot. Mit strategischen Schachfiguren. Wie sonderbar klein die Objekte sind! Bauer, Läufer, Springer und Turm…die Balearen! Wären sie es? – Sie sind es. Ein weißer Leuchtturm reicht mit seinem schlanken Zeige-finger in den Zenit des Mittags hinauf. Zwei kleine Menschen stehen auf der Klippe. Dahinter ein Karren mit einem Pferd; Spielzeug eines Riesen Tochter. Wir jagen weiter. Gegen Südwesten. Eine halbe Stunde später; das Meer bekrönt sich mit zornigem Schaum. Zwei Dampfer taumeln bergauf, bergab. Uns aber git der Sturm nicht mehr. Ein Druck und wir entschweben ihm. Nach oben! Über ihn hinweg, über seinen Leib hinweg, der schlägt und sich in das Salzwasser eingräbt, fliegen wir gegen Afrika. Tanger. – Niedrig fährt der Zeppelin über seinen Napf des Hafens dahin. An der Reede liegen französische Schiffe. Vom Land grüßen Gewehrschüsse, die aber kaum hindurchklingen durch die Sphäre der Wirbelmotoren. Weiß steigt über uns der Häuserberg auf, übersät von maurischen Villen. Es ist eine ´Ideallandschaft´, die alles besitzt, wie zu Schulzwecken: montes, flumina, litera… Manchmal gehen sogar Flüsse dem Gestade parallel. Dieses Marokko hat grüne Matten, als sei es die Schweiz, dann plötzlich Tiefen mit überschwemmten Reisfeldern. Immer wieder gewaltige Parks, Moscheen, Schlösser im Dunkelgrünen. Gebüsche mit rotem und graublauem Stein. Im Hintergrund steht das Atlasgebirge, braungold und stumpf, wie ein Uniformtuch. Wir können es nicht anschweben. Zwischen ihm und uns stehen, dicker als die Luft, wie eine Wand, Politik und Verbot. Cap Sartel! Hier kann man sehen, was kein Schiffspassagier je sah und auch kein Automobilist, kein Berberreiter von seinem Pferd und niemand vom Karawanensattel: wie Afrika nach Süden abbiegt. Aus fünfhundert Meter Seehöhe sieht man es, aus dem Navigationsraum: den Brüsken Umbruch des Kontinents. So stimmen die Karten? Die Karten stimmen! Der Kontinent will nach Westen weiter, aber der Wogenprall läßt es nicht zu. Der Atlantische Ozean treibt hier mit haushohen Wellenzorn gegen die braunrote Steilküste an. In zerschmetterten Jaspisplatten geht das Wasser langsam zurück und wird gleich wieder aufs Neue gesammelt, zum tausendjährigen strategischen Spiel. Farben! Maßlos verschwenderisch. Kübel von Farben! Auf ihr Maler!- Die Brandung, tausend Meter lang, hat (nur von oben kann man sehen) siebenerlei verschiedenes Grün.Von sanfter Jade bis zum Chrom und dickem fetten Küchengrün sind die Reste jeder Welle, die langgeschuppt zurückflutet, andersfarbig. Was hätte Flaubert um 1850