BIG PICTURE digital 10/2015 | Page 28

Home Cinema /Komödie Nur eine Stunde Ruhe „Monsieur Claude“ Christian Clavier will nur eine Stunde seine Ruhe haben, nachdem er auf dem Flohmarkt eine langgesuchte Schallplatte gefunden hat – aber seine Umwelt gönnt es ihm nicht J a, das könnte der perfekte Samstag für Zahnarzt Michel sein: Er hat frei, die Sonne scheint, und auf dem Flohmarkt findet er endlich die heiß ersehnte Jazzscheibe „Me, Myself and I“. Jetzt schnell nach Hause und die Preziose in aller Ruhe anhören. Aber daraus wird nichts. Egal, wie sehr Michel sich auch wehrt, alle scheinen sich gegen ihn verschworen zu haben: Seine Frau Nathalie will ihm eine längst vergangene Affäre mit seinem besten Freund beichten, der gleichzeitig versucht, ihn um Geld anzupumpen. Der nichtsnutzige Filius Sébastien quartiert in der Wohnung über ihm eine Flüchtlingsfamilie ein, in den eigenen vier Wänden treibt ein polnischer Handwerker sein Unwesen, und auch seine Freundin Elsa geht ihm auf der Suche nach Liebesbeweisen gehörig auf die Nerven. Die Krönung ist der aufdringliche Nachbar, der unten ein Hoffest veranstalten will und mit 28 big-picture-magazin.de immer neuen Vorschlägen kommt. Die Störenfriede geben sich die Klinke in die Hand und treiben die Handlung gnadenlos voran. Wer jetzt ans Boulevardtheater denkt, liegt gar nicht falsch. „Nur eine Stunde Ruhe“ war ursprünglich tatsächlich ein Theaterstück, der Großteil der Handlung spielt sich in der mondänen Wohnung des Zahnarztes ab und die einzelnen Figuren werden recht klischeehaft präsentiert. Weder Michel noch seine Sippschaft wachsen dem Zuschauer groß ans Herz, und auch die dünne Handlung schaft wenig Identifikationspotenzial. Im Grunde lebt das ganze Stück von der Präsenz des Hauptdarstellers, dem von Clavier perfekt porträtierten bourgeoisen Mittelständler, der nur seine eigenen Bedürfnisse im Sinn hat. Finanziell abgesichert wird der Rest der Menschheit nur als Dienstleister wahrgenommen, die recht engen gesellschaftlichen Grenzen müssen auf alle Fälle respektiert werden. Handwerker und Putzhilfe sind natürlich Ausländer und selbst der missratene Sohn wird am Ende als ein fremdes Problem geoutet. Regisseur Patrice Leconte („Mein bester Freund“) gelingt eine routinierte Komödie mit kleinen Spitzen, die in nicht mal achtzig Minuten zwar keine Langeweilse aufkommen lässt, aber nach dem Abspann auch nicht weiter im Gedächtnis bleibt. Ein vergnüglicher kleiner Zeitvertreib für Frankophile. [re] Fazit: Gut getimetes, aber flaches Gesellschaftsporträt über einen Egomanen, den weder Seitensprünge, falsche Söhne noch beendete Liebschaften tangieren OT: Une heure de tranquillité, FRA 2014 R: Patrice Leconte D: Christian Clavier, Carole Bouquet, Valérie Bonneton FSK: o. A. L: 76 Minuten Anbieter: DCM Ab 18. September 2015 auf DVD und Blu-ray erhältlich Wertung ✪✪✪✪✪